Junger Banker, fristlos entlassen, sucht…

Bei der Schilderung des Kündigungsgrunds konstruieren Bewerbende im Job-Interview unnötigerweise oft komplizierteste Erklärungen für meist ganz einfache Sachverhalte.

Peter Näf

So hat mir ein Bewerber einmal umständlich seinen Kündigungsgrund erläutert. Dabei war er nicht in Erklärungsnot, da er selber gekündigt hatte. Eine erhaltene Kündigung ist schwieriger zu kommunizieren. Aber auch dies ist möglich, wie wir gleich sehen werden. Seine Erklärung überzeugte mich nicht und ich bat ihn, mir zu sagen, was ihn wirklich zur Kündigung bewogen habe. Er habe sich mit dem Vorgesetzten nicht verstanden, erklärte er kleinlaut. Ich war etwas enttäuscht über diesen eher banalen Kündigungsgrund, hatte ich mir doch aufgrund seines Verhaltens dramatischere Umstände vorgestellt.

Sie bestimmen, was andere über Sie denken

Eine unbefriedigende Zusammenarbeit mit Vorgesetzten kommt vor. Es macht aber einen Unterschied, wie Sie dies kommunizieren. Wenn Sie es als persönliches Versagen sehen, wird Ihr Gegenüber denken, Sie seien nicht konfliktfähig. Wenn Sie aber selbstbewusst schildern, dass Sie eine neue Stelle suchen, da Sie sich nicht in einem schlechten Arbeitsklima ohne Aussicht auf Besserung aufreiben wollen, werden Interviewende Sie als entschlossen und proaktiv wahrnehmen.

Dass sich mit einer positiven Haltung auch schwierige Kündigungssituationen kommunizieren lassen, zeigt folgendes Beispiel: Vor vielen Jahren – ich war Personalberater – kam ein junger Banker in die Beratung. Gleich am Anfang des Gesprächs eröffnete er mir, er sei von Bank X fristlos entlassen worden. Für mich war klar, dass ich ihn nicht zu einer Bank werde vermitteln können. Ich habe mich daher darauf konzentriert, ihm Tipps für den Umgang mit der Situation zu geben. Der Grund für die Kündigung war, dass er mit dem Passwort eines Arbeitskollegen verbotene Internetseiten besucht hatte. Die Geschichte spielte sich zu Anfangszeiten des Internets ab.

Gesunde Selbstkritik schafft Vertrauen

Das war kein Kavaliersdelikt. Umso mehr erstaunte mich sein Verhalten, als ich ihm kritische Fragen stellte. Er antwortete, ohne sich zu verteidigen oder sein Verhalten zu verharmlosen. Er zeigte echte Reue und übernahm die volle Verantwortung. Ich gelang zur Ansicht, dass ich ihm eine schriftliche Verwarnung erteilt hätte. Eine Kündigung schien mir zu hart. Ich fragte ihn, was er über die Kündigung dächte. Erst dann hat auch er geäußert, er fände die Kündigung nicht in Ordnung und hätte eine Verwarnung als angemessene Maßnahme empfunden. Ich habe ihm daraufhin angeboten, ihn bei der Stellensuche zu unterstützen, wollte aber bei seinem Vorgesetzten eine Referenzauskunft einholen. Der Vorgesetzte war zwar verärgert über das Verhalten des Mitarbeiters, stellte ihm aber sonst ein einwandfreies Zeugnis aus. Mehr noch ärgerte er sich über die Personalabteilung, die mit der Kündigung ein Exempel habe statuieren wollen. Auch er hätte eine Verwarnung als disziplinarische Maßnahme vorgezogen.

Ich kam nicht mehr dazu, den jungen Mann zu vermitteln. Er hatte innerhalb von zwei Wochen selber eine neue Stelle bei einer renommierten Bank gefunden.

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