Vielleicht kennen Sie das ungute Gefühl nachdem Sie einen Film gesehen haben, aus dem Sie nicht recht schlau geworden sind. Die Handlung war nicht schlüssig; die Personen im Film ließen Sie kalt. Und trotzdem beschäftigen Sie sich damit; da die Sache nicht abgeschlossen ist. Das gleiche Gefühl lösen manchmal Geschichten von Kundinnen und Kunden aus, wie folgendes Beispiel zeigt.
Die Zusammenarbeit mit einem Kunden im Outplacement gestaltete sich schwierig. Ich konnte ihn nicht erfassen und er blieb mir auch nach mehreren Treffen seltsam fremd.
Kurz zu seiner Geschichte: Er hatte nach acht Jahren in einer Industriefirma die Kündigung erhalten. Der Grund war ein schlechtes Einvernehmen mit seinem Vorgesetzten, der seine Leistungen als ungenügend erachtete. Mein Kunde hat darüber zurückhaltend kommuniziert, sich aber verschiedentlich negativ zum ehemaligen Vorgesetzten geäußert. Vor dieser Stelle war er bei einer Bank mit einer umfassenden Führungsverantwortung tätig. Ich hatte den Eindruck, dass seine Karriere einen Bruch aufweise und habe ihn darauf angesprochen. Er reagierte ausweichend. Ich konnte seine Karriere nicht nachvollziehen; es ergab für mich alles keinen Sinn.
Erzählen Sie Ihre ganze Geschichte
Nach einiger Zeit äußerte ich die Vermutung, sein Wechsel von der Bank in die Industrie sei ein klarer Rückschritt gewesen. Er gab mir recht und erzählte mir schliesslich die ganze Geschichte: Er hätte die Stelle aus zwei Überlegungen angenommen. Erstens habe er die Finanzdienstleistungsbranche verlassen wollen. Er sei daher bereit gewesen, als Investition in seine neue berufliche Ausrichtung eine weniger qualifizierte Funktion zu übernehmen. Zweitens sei zu jener Zeit seine Frau wieder ins Berufsleben eingestiegen und er hätte einen grösseren Anteil der Kinderbetreuung übernommen. Es sei ihm daher gelegen gekommen, für eine gewisse Zeit beruflich weniger gefordert zu sein. Und schliesslich sei seine Überqualifizierung auch Thema im Job-Interview gewesen. Er habe mit seinem künftigen Vorgesetzten vereinbart, die Stelle durch anspruchsvolle Zusatzprojekte aufzuwerten.
Sympathie entsteht durch Nachvollziehbarkeit
Leider hatte sich die Stelle nicht wie erwartet entwickelt. Aufgrund eines Vorgesetzten-Wechsels wurden die vereinbarten Projekte nicht realisiert.
Jetzt verstand ich seine Situation und konnte sein Verhalten nachvollziehen. Durch unser offenes Gespräch entstand Sympathie und unsere Zusammenarbeit verbesserte sich. Er konnte nun nachvollziehen, was eigentlich vorgefallen war. Bis dahin war er einer kritischen Auseinandersetzung mit seiner beruflichen Vergangenheit aus dem Weg gegangen. Wir haben dann seine Karrieregeschichte neu geschrieben. Er sah einerseits, dass er Pech hatte wegen der ungünstigen Entwicklung im Unternehmen. Gleichzeitig musste er sich eingestehen, dass er es versäumt hatte, rechtzeitig eine neue Stelle zu suchen. Mit der Formulierung, was er aus dieser Situation gelernt hat, war die Argumentation fertig.
Solche Geschichten, in denen nicht alles nach Plan verläuft, erwecken Sympathie. Und wenn der Betroffene zeigt, dass er seine Lektion gelernt hat, kann eine scheinbare Misserfolgs- zur Erfolgsstory werden.