Beobachten ohne Bewerten

Dem indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti wird der Satz zugeschrieben, die Fähigkeit zu beobachten, ohne zu bewerten sei die höchste Form menschlicher Intelligenz. Diese Fähigkeit zu erlernen kann Ihrer Karriere eine neue Ausrichtung geben.

Peter Näf

Diesem Grundsatz liegt auch das von Marshall Rosenberg entwickelte Konzept der gewaltfreien Kommu-nikation zugrunde. Danach ist ein zwischenmenschlicher Konflikt nur dann lösbar, wenn ich als Konflikt-partei darauf verzichte, das Verhalten einer anderen Person zu beurteilen. Stattdessen beobachte ich, was mein Gegenüber tut und konzentriere mich darauf, was dies für Gefühle bei mir auslöst. Dann erforsche ich meine Bedürfnisse, die sich in diesen Gefühlen manifestieren. Und schliesslich kommuniziere ich im Konfliktgespräch meine Beobachtung, mein damit verknüpftes Gefühl sowie das dahinterliegende Bedürfnis und äußere eine Bitte. Nur wenn ich einer Konfliktsituation auf diese Weise unvoreingenommen begegne, kann ich zu einer neuen Lösung kommen.

Bewertungen hingegen basieren auf früheren Erfahrungen und Konzeptbildungen und sind daher immer vergangenheitsbezogen.

Selbstverständnis durch Selbstbeobachtung

Lassen Sie uns diese Überlegungen auf die Karrieregestaltung übertragen. Viele Menschen würden sich gerne beruflich weiterentwickeln und ihrer Karriere eine neue Richtung geben. Sie versuchen durch Überlegung auf neue Ideen zu kommen. Nach einiger Zeit stellen sie fest, dass sie damit nicht weiterkommen. Unser Denken ist geprägt von unseren Erfahrungen und den Interpretationen, die wir darauf aufbauend gewonnen haben – ist also vergangenheitsorientiert. Wie können wir nun herausfinden, in welche Richtung wir uns beruflich entwickeln möchten? Durch unvoreingenommene Beobachtung.

Gehen wir zurück zum Anfang unserer beruflichen Karriere. Wir wussten vielleicht nicht so recht, was wir beruflich machen wollten oder hatten nur vage Ideen. Schliesslich haben wir uns für einen Berufsweg entschieden, ohne ganz genau zu wissen, warum. Wir sammelten Erfahrungen und haben uns dann langsam in eine bestimmte Richtung weiterentwickelt. Diese ersten Karriereentscheidungen waren vermutlich eher unbewusst oder schienen unausweichlich. Viele Menschen empfinden die ersten Jahre ihrer Karriere als zufallsbestimmt. Und doch haben sie Entscheidungen gefällt aufgrund positiver und negativer Erfahrungen. Man könnte sagen, es seien Entscheidungen auf Basis von unbewusster Beobachtung gewesen.

Bewusste Selbstbeobachtung

Nach einigen Jahren im Berufsleben kommen viele Menschen zum Punkt, dass sie ihre Karriere durch bewusste Entscheidungen in die eigenen Hände nehmen wollen. Um den persönlichen Interessen und Neigungen auf die Spur zu kommen geht es wieder um Beobachten. Jetzt aber beobachten wir bewusst. Wir analysieren unsere berufliche Vergangenheit und nehmen auch im Alltag wahr, was uns gefällt, was uns guttut und was uns anzieht. Und durch Auswertung dieser Beobachtung kommen wir zum Schluss, was wir beruflich machen möchten.

Nur wenn wir uns selber immer wieder von neuem und ohne uns zu bewerten betrachten, kommen wir zu neuen Schlüssen.

#Standortbestimmung, #Job-Interview, #Storytelling