Verkaufen Sie sich gut – sprechen Sie (auch) über Ihre Schwächen!

Die meisten Bewerbenden verkaufen sich im Bewerbungsprozess dadurch, dass sie ausschliesslich von ihren Vorzügen und Qualitäten sprechen. Ein vermeintlich makelloses Bild allerdings ruft bei Recruitern Widerstand hervor. Höchste Zeit also, sich mit dem sogenannten Sarick-Effekt zu beschäftigen.

Peter Näf

Adam Grant erwähnt in seinem Buch «Non-Konformisten» den von der Soziologin Leslie Sarick beschriebenen und nach ihr benannten Effekt. Es geht darum, dass man bei kritisch eingestellten Kunden Verkaufserfolge erzielt, wenn man Argumente gegen das Produkt oder die Dienstleistung formuliert. Er nennt das Beispiel eines Mannes, der ein Online Magazin und einen Blog mit Informationen für werdende Eltern aufbaute. Er gewann Risikokapitalgeber, indem er ihnen die fünf wichtigsten Gründe nannte, warum sie NICHT in sein Geschäft investieren sollten. Nach zwei Jahren wollte er dieses an Disney verkaufen. Da der Verkauf über die Schwachstellen beim letzten Mal so gut funktioniert hatte, entschied er zu einer Wiederholung. Er hielt wiederum eine Verkaufspräsentation mit den wichtigsten Gründen, nicht auf das Geschäft einzusteigen. Disney hat es ihm daraufhin für 40 Millionen Dollar abgekauft.

Jede Investition hat Schwachstellen

Warum funktioniert der Sarick-Effekt? Jedes Produkt und jede Investition haben Vor- und Nachteile. Potentielle Käufer sind daher auf der Hut und wollen nicht nur die positiven Aspekte hören. Sie haben Fragen und Zweifel. Und sie suchen nach Schwachstellen im Angebot. Normalerweise betonen Verkäufer nur die positiven Aspekte ihres Angebotes und wollen den Eindruck erwecken, es gäbe keine Nachteile. Das löst bei den Kunden Widerstand aus. Wenn nun der Verkäufer selber die Schwächen aufdeckt, bricht der Widerstand zusammen. Der Druck fällt weg, die Kunden entspannen sich, Vertrauen wächst und ein echtes Gespräch kann stattfinden.

Stehen Sie zu Ihren Schwächen

Die Rekrutierung von Mitarbeitenden ist eine Investitionsentscheidung. Je nach zu besetzender Stelle geht es nicht nur um sehr viel Geld; es kann auch der künftige Erfolg des Unternehmens von einer erfolgreichen Rekrutierung abhängen. Und auch Bewerbende haben ihre Vor- und Nachteile, ihre Stärken und Schwächen. Recruiter sind aufgrund ihrer Rolle kritisch eingestellte Gesprächspartner. Wenn Sie den Sarick-Effekt beherzigen, wird die viel gehasste Frage nach den Schwächen zu einer Chance für ein gelungenes Bewerbungsgespräch. Sprechen Sie Ihre Schwächen an und zeigen Sie auf, wie Sie mit diesen erfolgreich umgehen. Das schafft Vertrauen. Recruiter haben oft ein gutes Gespür für Menschen und möglicherweise haben sie Ihre Schwächen schon entdeckt. Wenn Sie diese von sich aus ansprechen, schafft dies eine Basis für einen wirklichen Austausch über gegenseitige Erwartungen. Ich habe es als Interviewer mehrmals erlebt, dass sich Bewerbende durch ihre überzeugende Antwort auf die Frage nach ihren Schwächen für die nächste Interviewrunde qualifiziert haben.

Echte Souveränität und Persönlichkeit zeigen sich im Annehmen der eigenen Schwächen und darin, mit diesen umgehen zu lernen.

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